Das Dach der Welt: Auf dem Pamir Highway mit dem Fahrrad von Tajikistan nach Kyrgystan


 

Am 21.11.2017 präsentierte Ursula Becker eine digitale Bilderschau ihrer beeindruckenden Radreise auf dem Pamir Highway in der kleinen Aula des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Röthenbach.

Immer weiter gen Osten, so erfolgen Uschi Beckers Fahrradetappen, die sie Sommer für Sommer zusammen mit ihrem Mann Hans absolviert. Am 21. November kamen die interessierten Zuschauer am Geschwister-Scholl-Gymnasium nun in den Genuss der Etappe, auf die sich das Paar im Sommer 2016 für 5 Wochen, auf gut 1400 Kilometer, von Dusahnbe in Tajikistan nach Osh in Kirgistan begab. Die Besonderheit der Reiseberichte liegt am Blickwinkel, den die beiden einnehmen, wenn sie mit dem Fahrrad in die entlegensten Regionen der Welt gelangen, und so ein unverfälschtes Bild des jeweiligen bei uns im Westen eher unbekannten Reisezieles, gewinnen.

Mit ihrer musikuntermalten digitalen Bilderschau führte Uschi Becker die Zuschauer nach Tajikistan, ein für Touristen nahezu weißer Fleck auf der Landkarte.

Mehr als die Hälfte der Landesfläche des ärmsten Landes Zentralasiens liegt auf über 3000m Höhe, 45 Prozent der Fläche ist der Pamir, die autonome Provinz Gorno Gadashan. Jedoch leben in dieser am dünnsten besiedelten Region Asiens nur 3 Prozent der Bevölkerung Tajikistans. Der Pamir Highway ist die zweithöchste befestigte Fernstraße der Welt. Strategische Bedeutung kam der Straße wegen ihrer Nähe zu China und Afghanistan zu. Die Großmächte Russland und Großbritannien machten den Pamir im 19. Jahrhundert zum ihrem Spielball.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte das Land mit einem Bürgerkrieg zu kämpfen, seit 1994 herrscht Emomali Rahmon, seit 2016 nunmehr auf Lebenszeit.

Die Radreise startet in der grünsten der zentralasiatischen Hauptstädte, in Dushanbe, dessen Architektur russisch geprägt ist. Rahmon ließ aber ebenso Monumentalbauten errichten, die an den Prunk von Dubai oder Las Vegas erinnern lassen. Die Reisenden stellten sich so mancher Herausforderungen. Neben dem mit dem Persischen verwandten Tajikischen, ist Russisch vorherrschend, Englisch wird kaum gesprochen.

Landestypische Kurut Kugeln aus getrocknetem Magermilchpulver, oder Surbo, eine Fleischbrühe mit Tierknochen sind Lebensmittel, die nicht immer satt machen. Trinkwasserbrunnen ersetzen eine zentrale Wasserversorgung, auch bei extremer Kälte im Winter. Die hohe Gefahr durch diese Lebensbedingungen an schwerem Durchfall zu erkranken, lässt viele low budget Touristen ihre Reise vorzeitig abbrechen.

Stromausfälle sind vor allem im Winter unvermeidlich, da überwiegend elektrisch geheizt wird. Deshalb ist die beste Reisezeit von Juni bis Mitte September, obwohl die Temperaturen über die 45 Grad erreichen können. In der Übergangssaison verursacht Regen Schlammlawinen und Bergrutsche, Straßen sind häufig blockiert. Nachdem der Chaburabot Pass auf 3252m erreicht wird, weisen Straßenschilder auf verminte Landstücke hin, die Straße sollte daher nicht verlassen werden.

Durch die dennoch mit blühenden Disteln geschmückte Landschaft geht es hinunter ins Pandj Tal, wo der Fluss entlang der Afghanischen Grenze verläuft. Lebensspendende Gebirgsbäche machen die Bewirtschaftung der felsigen Gegend erst möglich. Teerstraßen gehen in Sand und Schotter, durchsetzt von Schlaglöchern, über. Trotz Mountainbikes ist das Vorankommen mühsam, schließlich müssen Wasservorräte und Campingausrüstung mitgeführt werden.

Maulbeerbäume säumen den Weg nach Chorog, der Hauptstadt der autonomen Provinz Gorno-Badachsan, auf 2100m. Die Trennlinie des Panj Flusses macht die angrenzende afghanische Region und Gorno Badachshan zu den abgelegensten und am wenigsten entwickelten Gebieten der Erde.

Durch künstliche Grenzziehungen, wie im Tal des Pendj, im Wachankorridor, wurde die Bevölkerung der Ismaeliten auf afghanischer und Pamir Seite getrennt: das fruchtbare Tal gehört zur Hälfte zu Tajikistan, zur Hälfte zu Afghanistan. Die Nähe zum Hindukush zeigt sich in dessen beschneitem Gipfel.

Der Korridor lässt sich nur zu zwei Dritteln auf seiner Schotterebene durchqueren, Maultierkarawanen übernehmen das letzte Stück. Der Kojtzek Pass führt auf 4271m auf das Pamir Plateau. Nachts sinkt das Thermometer im Sommer unter den Gefrierpunkt, im Winter bis auf -60 Grad. Genächtigt wird beispielsweise im Homestay, wofür die Bewohner ihr eigenes Haus räumen, um den Reisenden ein Matratzenlager zur Verfügung zu stellen. Der farbenfrohe Topcan, eine erhöhte Schlafstätte dient auch als Speisesaal, indem über den Schlafplätzen eine Plastikdecke ausgebreitet und zum Tisch umfunktioniert wird. In der Küche wird das Essen auf dem Fußboden zubereitet, der gebratene Fisch aus dem See wird mit Yak Joghurt serviert. Eine weitere Art der Unterkunft ist die Jurte, von rot gestrichenem Birkenholzgitter gestützt, mit Schilfrohrmatten und Filz verkleidet.

Die höchsten Berggebiete des Pamir bilden das Dach der Welt. Der Pik Somoni ragt auf 7495m. Gletscher und heiße Quellen wechseln sich ab, im Süden stößt der Pamir an den Hindukush und im Osten an das Tien-Shan Gebirge. In den Hochebenen gibt es wenig Vegetation. Yaks grasen in den Hochwüsten und der Ertrag der Landwirtschaft ist spärlich.

Mit dem Näherrücken der kirgisischen Grenze wird Wüstengebiet durchquert. Die Fahrraddistanz von 3 Tagen über 150 Kilometer hinweg erfordern Pioniergeist wie einst Marco Polo ihn hatte, um den Bedingungen zu trotzen: Starker Wind, eisige Temperaturen, Camping auf über 4000m Höhe, eine einzige Gaskartusche für die magere outdoor Küche sind die Herausforderung – die blühenden Blumen der Wüste, der Karakul See an der kirgisische Grenze vor dem Hintergrund des chinesischen Tien Shan Gebirges sind die Belohnung. Das Alichur Tal ist das Juwel des Ost-Pamir.

Der Abfahrt vom Pamir von 4300m auf 1300m hinab folgt der Grenzübergang in das grünere und fruchtbarere Kirgistan. Rechtzeitig vor dem ersten Schnee, im September, müssen auch die Nomaden ihre Tiere von den Hochweiden treiben. Mit Stolz leben die Kirgisen ihre alte Nomadenkultur und Tradition der Pferdezucht. Die Jurten spielen eine zentrale Rolle und werden auch als Camps für Touristen angeboten und man kommt in den Genuss von vergorener Stutenmilch.

Osh, die zweitgrößte Stadt Kirgistans und altes Handelszentrum an der Seidenstraße wird nach 4 Wochen erreicht. Die Impressionen der Stadt lassen die Zuschauer Abschied nehmen: die feierliche Parade des Nationalfeiertags, der russische Brottrunk Kwas, Wodka, das Museum der Nationalheldin Kurmanjan Datka und einer der größten Märkte Zentralasiens, der nicht nur fernöstliche Gewürze bietet.

 

Die Zuschauer waren beeindruckt von den Steppen und Hochwüsten, den spektakulären Landschaften und rauen Lebensbedingungen, die Ursula Becker an diesem gelungenen Abend zugänglich machte. Wieder einmal schaffte sie es, ihren Blick auf unbekannte Länder aus einer anderen Perspektive zu richten. Für die Erfrischungen und Häppchen sorgte der Förderverein des Gymnasiums.

 

 

Simone Sünkel