Verbrechen lohnt sich nie!


 

Bedrohung, Schlägerei, Körperverletzung, Diebstahl, Einbruch, Raubüberfall, Drogenkonsum, Hehlerei – eine beachtliche Liste an Straftaten, die das Leben von Henry-Oliver Jakobs viele Jahre prägen. Jakobs wächst in den 1970er Jahren in Hamburg St. Pauli auf – wohlbehütet, wie er betont. Und doch begeht er bald erste kleine Diebstähle. Sieben Jahre ist er da alt. Mit den Jahren schraubt sich die Gewaltspirale immer weiter hoch. „Ich bekam nie die Konsequenzen meines Tuns zu spüren, nie wurde ich erwischt – leider“, sagt Jakobs aus heutiger Sicht. Und so macht er immer weiter.

Heute sitzt Jakobs dem P-Seminar Ethik, das sich in Kooperation mit PHM Maik Kaiser von der Bundespolizei mit dem Thema ‚Zivilcourage‘ auseinandersetzt, gegenüber und erzählt in einem anderthalbstündigen Gespräch von seinem Leben und seinen Taten. Er wirkt wie ein normaler und unauffälliger Typ Ende 40, Anfang 50. Durchschnitt. Doch Jakobs ist alles andere als ein durchschnittlicher Typ. Er hat viele Jahre lang zahlreiche Straftaten begangen. Und an einem Tag im August 1995 wird er schließlich zum Mörder.

An jenem Tag erschießt er einen Menschen, verletzt einen anderen schwer. Kurz danach wird er verhaftet und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. „Damit endete meine kriminelle Karriere, endlich wurde ich für mein Tun zur Rechenschaft gezogen“, resümiert Jakobs. Er glaubt nicht, dass er auf anderem Weg den Absprung geschafft hätte. In „Santa Fu“, der Justizvollzugsanstalt für Strafgefangene mit längeren Freiheitsstrafen sowie für Sicherungsverwahrte in Hamburg-Fuhlsbüttel, sitzt er seine Haftstrafe ab. Nach 19 Jahren kommt er vorzeitig frei, zunächst auf Bewährung.

„Heute bin ich ein anderer Mensch“, betont Jakobs. Während seiner Zeit in der JVA erkennt er allmählich, dass er etwas ändern muss. Doch „das ging nicht von jetzt auf gleich, das war ein langer Weg.“ Jakobs macht eine Sozialtherapie, führt Gespräche mit Psychologen und absolviert eine Ausbildung.

Sein Leben hat sich seither komplett gewandelt. Seit vielen Jahren engagiert er sich mit seinem Verein „Gefangene Helfen e. V.“ in der Kriminalitätsprävention und gibt z. B. Vorträge an Schulen oder auch Anti-Gewalt-Training. So möchte er Kindern und Jugendlichen helfen, „nicht auf die schiefe Bahn zu geraten“ und verhindern, dass sie den Weg einschlagen, den er eingeschlagen hat.

Jakobs spricht im Gespräch mit dem P-Seminar sehr offen und sehr reflektiert über sein Leben und seine Taten, versucht nicht ein einziges Mal sein Tun zu rechtfertigen. Das fällt allen Seminaristen auf. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigt im Gespräch vor allem, wie man mit der Schuld leben kann, einem anderen Menschen das Leben genommen zu haben. Jakobs macht klar, dass ihn die Tat nie losgelassen hat, noch heute verfolgt. Wiedergutmachen könne er das nie, das hebt er mehrmals hervor. Durch sein Engagement in der Kriminalitätsprävention wird er immer wieder mit seinen Taten konfrontiert. Das hilft ihm, das zu verarbeiten. Aber seine Taten lassen ihn bis heute nicht los.

Jakobs spricht auch offen über seine harte Zeit in der JVA. Zu lernen, nicht mehr selbst über sich bestimmen zu können und andere über sich bestimmen zu lassen, das sei schwer gewesen zu akzeptieren. Darüber hinaus kritisiert er die Zustände in deutschen Gefängnissen und stellt fest, dass viel zu wenig für eine erfolgreiche Resozialisierung der Gefangenen getan wird. So gebe es beispielsweise viel zu wenig psychologische Betreuung für die Inhaftierten. Laut einer Studie wird knapp die Hälfte der verurteilten Täter in Deutschland wieder rückfällig – bei Mord und Totschlag liegt die Quote gar höher. Doch Jakobs hat es geschafft.

 

Das Seminar bedankt sich ganz herzlich beim Förderverein der Schule, der die Veranstaltung und somit den gemeinnützigen Verein „Gefangene Helfen e. V.“ durch einen finanziellen Beitrag unterstützt hat.

 

12.10.2022

das P-Seminar Ethik

unter Leitung von Frau Bretzner