„Drei Fragen an Stauffenberg“ – Theaterstück der Kulturschule Leipzig am Geschwister-Scholl-Gymnasium


 

Claus Schenk Graf von Stauffenberg dachte elitär, fühlte sich als Adelsspross zu „großen Taten“ berufen und war in unseren heutigen Augen freilich kein Demokrat, erkannte jedoch die verbrecherischen Seiten des Zweiten Weltkrieges und fand die Kraft zum Widerstand. Die Theaterdokumentation „Drei Fragen an Stauffenberg“ des Leipziger Ensembles („Kulturschule Leipzig“) warf faktengetreue Schlaglichter auf den Werdegang der Ikone des militärischen Widerstands bis hin zum misslungenen Attentat am 20. Juli 1944. Eine Frage rückte im Laufe des Zweipersonenstücks immer mehr in den Vordergrund: „Durfte, sollte oder hatte man die moralische Verpflichtung Hitler zu ermorden?“

Die Schülerinnen und Schüler der neunten und zehnten Jahrgangsstufen des Geschwister-Scholl-Gymnasiums wurden von der Erzählerin (Daniela Frese) durch dhomepageas historische Geschehen nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zum gescheiterten Attentat begleitet und konnten sowohl den Aufstieg Hitlers als auch den militärischen Werdegang Stauffenbergs mit Hilfe der eingespielten Originalaufnahmen anschaulich nachvollziehen. Die Entwicklung Stauffenbergs vom national-konservativen Patrioten zum Hitler-Attentäter fürs Theater zu inszenieren, ist gewiss nicht einfach. Günther Frese stellte sich dieser schwierigen Aufgabe und ließ die Motive des Widerstandskämpfers auf der Bühne Revue passieren. Stauffenberg verstand sich als Soldat ganz nach der jahrhundertealten Tradition seiner Familie. Mehr noch als seine beiden Brüder glaubte der junge Graf an eine Erneuerung Deutschlands durch die nationalsozialistischen Ideen. Der Vernichtungskrieg, den die Wehrmacht im Auftrag Hitlers an der Ostfront führte, machte ihn zum strikten Gegner. Wann genau Stauffenberg mit den Nazis brach, bleibt unter Historikern bis heute umstritten. Das Theaterstück legt nahe, dass es spätestens Mitte 1942 gewesen sein muss, als Stauffenberg die verbrecherische Natur des Krieges, die Massenerschießungen von Juden in der Ukraine, erkannt hatte. Zitate belegen in der Theaterdoku die inneren Konflikte Stauffenbergs und offenbaren seine Gedanken, die um die Frage kreisen, ob er den Eid auf den „Führer“ – zu hören in der Originalaufnahme von 1934 – brechen dürfe: „Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er die Tat, so wird er zum Verräter vor seinem eigenen Gewissen.“ Wie andere Angehörige der militärischen Führung war Stauffenberg hin- und hergerissen zwischen Loyalität und seinen persönlichen moralischen Überzeugungen.

pressehomepageDie Schülerinnen und Schüler hatten in den 45 Minuten jede Menge schwierigen Text zu verdauen. In einem Nachgespräch mit den beiden Schauspielern bekamen die Gymnasiasten noch reichlich Gelegenheit, sich mit den Motiven des Widerstands auseinanderzusetzen. Eine Frage brannte den Schülerinnen und Schülern besonders auf den Nägeln: Warum war das Attentat gescheitert, was war schief gelaufen? Durch Lücken in der Vorbereitung und das Zögern beim Auslösen der „Operation Walküre“ sowie durch eine Verkettung unglücklicher Umstände und Zufälle überlebte Hitler das Attentat leicht verletzt. Als nur eine der beiden vorgesehenen Sprengladungen im Hauptquartier Wolfsschanze in Ostpreußen detonierte, befand sich Stauffenberg bereits auf dem Weg zum Flugplatz. Dass Hitler noch am Leben war, erfuhr er erst Stunden später in Berlin. Stauffenberg wurde noch in derselben Nacht im Hof des Bendlerblocks erschossen. Der blutige Krieg, in dem durch die Bombardierungen hunderttausende Menschen starben, ging nach dem 20. Juli noch fast zehn Monate weiter.

Claus Schenk Graf von Stauffenberg gilt als eine sehr kontroverse Identifikationsfigur der Geschichte des deutschen Widerstands. Seine Vorbildfunktion ist im Gegensatz zu der von Sophie und Hans Scholl, die weder Macht noch Einfluss besaßen, heute umstritten. Das unterscheidet sie voneinander. Und doch verbindet sie der entscheidende Gedanke: „Nicht: Es muss etwas geschehen, sondern: Ich muss etwas tun.“ Diese Worte von Hans Scholl könnten ebenso gut von Stauffenberg stammen.