HOLOCAUST-ÜBERLEBENDE EVA SZEPESI AM GESCHWISTER-SCHOLL-GYMNASIUM RÖTHENBACH


Die Erinnerung an Auschwitz lebt noch
„Child Survivors“ haben als Kinder die Grauen des NS-Terrors überlebt. Auch Eva Szepesi, geborene Diamant, ist als Zwölfjährige im Vernichtungslager Auschwitz dem Tod gerade noch rechtzeitig von der Schippe gesprungen.

Das jüdische Mädchen war bei der Befreiung im Januar 1945 zwar ausgezehrt und schwer krank, aber es lebte. Die sympathische Zeitzeugin aus Frankfurt kam heuer zum zweiten Mal ans Geschwister-Scholl-Gymnasium, um der neunten Jahrgangsstufe Geschichte, ihre persönliche Leidensgeschichte, aus erster Hand zu erzählen.

Die glückliche Kindheit in einem gutsituierten Elternhaus ging für das Mädchen zu Ende, als die Deutschen Ungarn besetzten. Eva, die als jüdisches Kind nicht mehr zur Schule gehen durfte und seit April 1944 den gelben Stern tragen musste, wurde von ihrer Mutter in die vermeintlich sichere Slowakei geschickt. Am Bahnhof hatten sich Mutter und Tochter das letzte Mal voneinander verabschiedet. Das Mädchen wusste nicht, dass es seine Mutter und den kleinen Bruder nie mehr wiedersehen würde. Heimlich und mit den Papieren der Nachbarn in der Tasche kamen Eva und ihre Tante über die Grenze. Dann musste das Mädchen allein die Flucht ins Ungewisse fortsetzen. Immer wieder wurde sie von einer Familie an die nächste weitergegeben, bis Eva schließlich im Herbst 1944 in einem jüdischen Altersheim interniert und ins Sammellager Sered‘ verschleppt wurde. Von dort gingen die letzten Transporte nach Auschwitz. In den Viehwaggon drang nur wenig Licht und der Gestank sei unerträglich gewesen, so die Erinnerungen der Zeitzeugin. Bei der Ankunft stand das Mädchen zitternd an der berüchtigten Rampe. Die Aufseher schrien und wenig später wurden Evas Zöpfe, die ihr die Mutter immer so liebevoll geflochten hatte, abgeschnitten. „Das war für mich als Kind bis zu diesem Zeitpunkt das Schlimmste, was mir passierte“, erzählte die heute 83-Jährige den angespannten Zuhörern. Eine Lüge hatte ihr bei der Selektion das Leben gerettet: Eine slowakische Aufseherin flüsterte Eva zu, sie solle behaupten, schon sechzehn Jahre alt zu sein, um nicht wie die anderen Kinder gleich ins Gas geschickt zu werden. Als die Soldaten der Roten Armee Auschwitz befreiten, war das Mädchen kaum mehr ansprechbar.

Noch können die „Quellen“ sprechen, doch das lebendige Gedächtnis der Überlebenden wird in absehbarer Zeit einer mediengestützten Erinnerung weichen und Zeitzeugenberichte werden dann nur noch online abrufbar sein. Im Geschichtsunterricht zu hören, dass ca. sechs Millionen Juden von den Nazis ermordet wurden, ist für die Fünfzehnjährigen so unfassbar, dass sie es sich nicht vorstellen können. Die Häftlingsnummer, die Frau Szepesi eintätowiert wurde, ist inzwischen verblasst. Sie steht aber immer noch in blaugrüner Tinte auf ihrem Unterarm. 1951 heiratete sie in Ungarn ihren Mann Andor, doch es dauerte noch sehr lange, bis die Zeitzeugin, die 1954 mit ihrer Familie nach Frankfurt zog, über ihre Vergangenheit sprechen konnte. Erst die Shoah-Foundation des Regisseurs Steven Spielberg („Schindlers Liste“) gab den Anstoß dafür, dass sich die Auschwitz-Überlebende anlässlich des 50. Jahrestags der Befreiung an dem Ort der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ihren Erinnerungen stellte und zu erzählen begann. 2011 erschien ihr Buch „Ein Mädchen allein auf der Flucht“, aus dem sie den Schülerinnen und Schülern vorlas. Wie Frau Szepesi es geschafft habe, nach dem Krieg ein normales Leben zu führen, wollte eine Schülerin wissen. Und die Zeitzeugin erzählte von ihrem Leben nach 1945. Groll oder Bitterkeit sind der Shoa-Überlebenden überhaupt nicht anzumerken, höchstens eine Spur von Sorge über die aktuelle Fremdenfeindlichkeit. Mit ihren beiden Enkelkindern (18 und 16) war sie erst vor wenigen Wochen in Auschwitz, dem Inbegriff der grausamen Vernichtungsmaschinerie der Nazis. Die achtzehnjährige Enkeltochter entdeckte dort auf einer Gedenktafel den Namen von Valery Diamant, ihrer Urgroßmutter, und den Namen des achtjährigen Tamás, Frau Szepesis Bruder. Als Eva Anfang November 1944 nach Auschwitz-Birkenau kam, waren Mutter und Bruder bereits ermordet worden.