GOSTNER HOFTHEATER: „NAME: SOPHIE SCHOLL“


„Ich heiße Sophie Scholl und da fängt das Problem auch schon an“. So beginnt die Geschichte der Jurastudentin unserer Tage, dargestellt von Johanna Steinhauser vom Gostner Hoftheater, die der zehnten Jahrgangsstufe des Geschwister-Scholl-Gymnasiums als „Klassenzimmertheater“ ohne Technik und Kulisse beeindruckend lebendig erzählt wurde.

Ein Name verbindet zwei Frauen: Die Jurastudentin steht kurz vor dem Examen und freut sich auf ihren Beruf. Sie ist ebenso begeisterungsfähig wie die historische Sophie Scholl, die Biologie- und Philosophiestudentin zu Zeiten der Hitler-Diktatur, gespannt auf das Leben und steckt voller Ideen. Nach und nach erfahren die Schülerinnen und Schüler, warum Sophie so aufgewühlt ist: Sie wurde in einen Prüfungsbetrug verwickelt und soll nun als Entlastungszeugin für eine unschuldige Sekretärin vor Gericht aussagen.

Das Einpersonenstück „Name. Sophie Scholl“ lebt von der Parallelführung der geschichtlichen und aktuellen Handlung. Die Architektur des Stücks ermöglicht es, den inneren Konflikt der Darstellerin mithilfe von Rückblenden aus den Lebensstationen der jugendlichen Widerstandskämpferin zu veranschaulichen. Im Zwiegespräch wendet sich die moderne Sophie Scholl an ihre berühmte Namensschwester, so als stünde sie leibhaftig vor ihr. Sophie quälen Gewissenskonflikte und sie gesteht, nicht den Mut ihrer Namenspatronin zu besitzen. Während der Gerichtsverhandlung werden berührende Bilder aus dem Leben der Ikone des studentischen Widerstands heraufbeschworen, einer außergewöhnlichen Frau, die ebenfalls voller Pläne war, das Leben liebte und in den Verhören der Gestapo sowie vor dem sogenannten Volksgerichtshof bis zuletzt, bis zu ihrer Hinrichtung am 22. Februar 1943, ihren Prinzipien treu geblieben ist. Frei und gerade durchs Leben zu gehen, auch wenn es schwerfällt, dazu hatte schon Vater Scholl seine Kinder ermutigt. Die Leben der beiden Studentinnen werden durch die parallele Handlungsführung eng miteinander verwoben. Sophie muss vor Gericht aussagen, da ihr Professor verdächtigt wird, Prüfungsunterlagen vorab an Studenten herausgegeben zu haben, um sich zu bereichern. Er wiederum wälzt die Verantwortung auf seine Sekretärin ab und erpresst seine Studentin. Sophie könnte vor Gericht bezeugen, dass es nicht die Sekretärin war, die sich durch den Verkauf der Prüfungsaufgaben strafbar gemacht hat. Aber soll Sophie ihre Zukunft aufs Spiel setzen? Soll sie riskieren, dass die Prüfungen wegen des Betrugs für ungültig erklärt werden? Als angehende Juristin und vor allem als Sophie Scholl müsste sie aber zur Wahrheit stehen. Die anspruchsvolle Namensgleichheit wirft einen langen Schatten auf die Jurastudentin und wird für sie zu einer moralischen Bewährungsprobe.

Der Widerstand der Geschwister Scholl zeugte vom hohen Anspruch des Gewissens in einer damals gewissenlosen Zeit. Durch die Berufung auf das Gewissen fühlte sich der Unrechtsstaat in seinen Grundfesten bedroht. Und das zu Recht, denn der Kampf, der von einer Gewissensentscheidung ausgeht, ist immer ein Kampf ums Ganze. Der Jurastudentin von heute kann die Wahrheit vielleicht ihre Karriere, aber nicht mehr das Leben kosten. Doch die Regisseurin bezweckte in ihrem Theaterstück auch keinen direkten Vergleich der beiden Frauen und schon gar keine Stilisierung der historischen Sophie Scholl zur Heldin, sondern transportiert ohne belehrend zu wirken die universelle, zeitlose Botschaft, dass Zivilcourage im Alltag anfängt und eine große Wirkung hat. In einer ausführlichen Nachbesprechung wurden die Schülerinnen und Schüler von der Schauspielerin gefragt, wie sie sich entschieden hätten: „Was ist euch wichtiger: Die gesicherte persönliche Zukunft oder zivilcouragiertes Handeln? Was hättet ihr getan?“ Das Klassenzimmertheater um moralische Standfestigkeit und Mut kam auch bei den Scholl-Schülern gut an. Es schlägt eine Brücke von der Vergangenheit zur Gegenwart und spiegelt besonders deutlich die Aufforderung aus dem fünften Flugblatt der Weißen Rose wider: „Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den ihr um euer Herz gelegt habt!“ Diese Worte haben ihre Bedeutung zu jeder Zeit, also auch im Jahr 2016, egal, ob an der S-Bahnhaltestelle oder eben im Klassenzimmer, wenn es gilt, aufrecht durchs Leben zu gehen, Zivilcourage zu zeigen und wachsam zu sein – auch ohne einen großen Namen zu tragen.